Donnerstag, 16. Mai 2013

Liebe Welt da draußen - jetzt ist Schluss mit Lustig!

Hallo!
Nachdem ich jetzt seit Januar dabei bin mir darüber den Kopf und die Ohren zu zerbrechen, wie ich denn weiterhören will, und ich viele, viele Fragen von Bekannten und Freunden bekomme, habe mich mich dazu entschlossen, meinen Ohrweg hier festzuhalten!
Vielleicht findest sich sogar jemand, der es ganz ähnlich "an den Ohren" hat wie ich ;)

Vorweg - ich bin schwerhörig; also nicht nur in Situationen, die einem dann einen schönen Vorteil bringen, wenn man mal nichts hört (zum Beispiel, wenn man gebeten wird etwas umständliches mit nach Hause zu bringen, wie zwei Träger Wasser extra ;) - keine Sorge, das mache ich nicht).

Es ist manchmal gar nicht einfach Menschen zu beschreiben, wie das eigentlich ist, wenn man schlechter hört, weil ich eben auch ganz ehrlich sagen muss, dass ich ja auch nicht beschrieben bekommen, wie das nun so ist, wenn man besser hört. Das Einzige, was ich sehe ist, dass die Menschen, die hören können, besser mithalten im Leben als die Menschen, die es nicht können.

Das geht morgens mit dem Wecker los, das geht in der Uni in den Vorlesung weiter, findet seinen Höhepunkt in Diskussionsseminaren, seine traurige Wahrheit wenn man Abends mit Freunden zusammen wo hin geht und hört auch nicht auf, wenn man sich denn mit seinen Freund noch mal vor den Fernseher setzt um sich gemeinsam berieseln zu lassen. Den Wecker nicht zu hören ist nervig, in der Vorlesung nicht mitzukommen ist bescheuert, weil die Dozenten doch auch einfach mal Literatur raushauen könnten, welche ich dann genauso 'lesen' kann, wie ihre Vor'lesung' und in den Seminaren ist es schließlich wirklich so, dass ich bemerke, dass es sein kann, dass ich wegen meinen Ohren die Uni nicht schaffe. So simpel ist das.
Jetzt sollten die Vorschläge kommen, dass ich mit Dozenten reden kann und dass ich mir einen Dolmetscher besorgen sollte - tja, da ist das Problem. Ich habe ein asymetrisches Gehör - das heißt, ich bin auf meiner linken Seite so hochgradig schwerhörig, dass ich mich selbst taub bezeichne, weil ich da einfach wirklich nichts höre, und auf meiner rechten Seite habe ich eine "Mittelgeradige Tieftonschwerhörigkeit". Behörden und auch die Krankenkasse schauen sich nicht das Resultat an, welches sich aus beiden Ohren ergibt, sondern lediglich nur das bessere Ohr.
Was dazuführt, dass ich vor der Krankenkasse den geringsten Beitrag bekomme und Behören zusätzliche Geräte, Personen und Dienstleistungen mit dem triumphierenden Lächeln der Freude wieder ein paar Euronen gespart zu haben, ablehnen, weil ich bin zwar schwerhörig, aber "komm! Du hast doch noch ein Ohr, was so einigermaßen geht. Da dürftest du eigentlich keine Probleme haben".

. . . autsch.
Ich stelle mir ganz häufig vor, wie es ist blind zu sein.
Dann würde ich in der Uni sitzen, und alles hören, und meine Dozenten würde sofort nicken. Ich hätte eine Behinderung (und ich sage das jetzt mit diesem beinahe politisch Inkorrekten Wort!), die jeder sehen könnte. Meine Hörgeräte sind da gerne unsichtbar, weil sie klein sind. Zudem hab ich das Glück, dass meine Mama sich unglaublich doll bemüht hat, dass ich anständig sprechen lerne - die Welt ist ja nicht erst um gestern so leise. Ich spreche also klar und deutlich - und da ich auch einen Tieftonverlust habe, und meine Stimme nicht hören würde, wenn ich tief und dumpf klingen würde, hab ich mir eine andere Art von "Schwerhörigen Stimme" angeeignet. Ich spreche also wirklich extrem klar. Also extrem hoch.
Meine beste Freundin sagte mal zu mir: "Boah, du bist so niedlich! Kannst du das nicht abschalten?!", zugegeben, ein bisschen genervt, weil meine Stimme vielleicht manchmal echte in wenig... komisch klingt?
Naja, Dozenten neigen dazu mir einfach nicht zu glauben, dass ich einen Nachteilsausgleich brauche; ich hab schon gehört, dass ich da einen Vorteil mir verschaffen wolle und andere witzige Details, die im ersten Augenblick wehtun, und in Reflektion einfach nur lächerlich sind, weil manche Menschen, die hochgebildet sind, in Wahrheit nur eine kleine, kleine Welt kennen.

Versteht mich nicht falsch. Ich bin wahrscheinlich besser dran, als jemand, der gar nichts hört, oder als jemand, der auf beiden Seiten so hört, wie ich mit links - aber naja, am Ende fühlt sich jeder hnlich gleich belastet und benachteiligt.
Ich weiß für mich selbst, dass es so nicht weiter gehen kann für mich - da muss sich was ändern.

Früher fand ich das schrecklich witzig, wenn ich mal was blödes verstanden habe, und ich die Menschen in meiner Umgebung so zum Lachen gebracht habe und sie ganz sanft damit daran erinnert habe, dass ich jemanden nicht verstanden habe.
"Da laufen Hügelriesen auf dem Tangfeld" zum Beispiel. In Wahrheit war es dann: "Da sind Hügel und Wiesen auf dem Tangfeld" - meine Güte, da ist das Gelächter dann wirklich groß und ich konnte da auch immer mitlachen. Eine weitere Situation hat meine Mitmenschen auch in schockiertes Staunen, dann in eine schmunzelige Stimmung versetzt, "WAS?", hab ich da gefragt, "Du biestest SIEBENTAUSEND?!" - "Nein!", als schockierte Antwort, "Siebenhundert!" und danach das Schmunzeln.
Naja, seit einigen Wochen weiß ich im Grunde erst, wie schlimm es mit meinen Ohren wirklich ist und da ist mir der Spaß vergangen und ich finde solche Situationen peinlich und manchmal sogar ein wenig demütigend.

Das Problem neben dem assymetrischen Gehör ist nämlich auch noch, dass ich nicht an einer üblichen Schwerhörigkeit 'leide', sondern eben an besagter Tieftonschwerhörigkeit. Üblich ist es anders rum, was mit dem Aufbau der Cochlear, also der Hörschnecke zu tun hat.
Wir wissen ja, wie man hört, oder?
Also der Ton geht in die Ohrmuschel und dann hauen die Schallwellen gegen das Trommelfell und die versetzen sie dann in Schwingungen, die dann wieder diese winzigen Härchen in er Innenohrschenke, also der Cochlear, in Schwinungen setzen. Diese Härchen sind extrem wichtig, weil sie eben die Schwinungen in Impluse umwandeln, die vom Hörnerv aufgenommen werden. Tada - da ist der Ton.
Die Cochlear hat, wie alles im Leben, ein Anfang und ein Ende. Man kann sie sich wirklich als Schnecke vorstellen.
Am Anfang, wo die Schwinungen zuerst ankommen, da sind die Härchen, die die hohen Töne wahrnehmen können und ganz im Inneren der Schnecke, da sind die Härchen versteckt für die tiefen Töne. Also alles, was an tiefen Tönen ins Ohr muss, das muss an den hohen Tönen vorbei. Es ist also irgendwie klar, dass diese hohen Tonhärchen besonders schnell irgendwie abgenutzt sind :)
Laute Musik, Krach, Mittelohrentzündungen, die dann in den Eingang und damit "Anfang" der Cochlear krabbeln können diese hohen Tonhärchen schnell das 'Genick brechen'.
Nana, nicht so bei mir. Meine Schwerhörigkeit ist vom Ende hoch gekrabbelt. Immerhin können wir uns damit quasi sicher sein, dass es irgendwie mit Genen und Erbgut zusammen hängt und können artig alle "Sind Sie wegen einem Unfall oder wegen einer Krankheit schwerhörig geworden" mit 'nein' beantworten.

So, weit ausgeholt um zu erklären, dass eine Hochtonschwerhörigkeit deutlich häufiger anzutreffen ist, als eine Tieftonschwerhörigkeit. Das bringt so einige, ärgerliche Probleme mit sich. Hörgeräte zum Beispiel sind irgendwie nicht dafür gemacht wirklich gut die tiefen Töne zu verstärken. Und zudem rauscht der Lautsprecher im Ohr immer ein wenig unangenehm in einem hohen "pfff" - den ganzen Tag lang. Diese Affinität zu hohen Tönen hab ich auch noch links. Ich durfte jetzt Super-Power Hörgeräte testen, und die haben es geschafft einige "pft", "ssss", "tsch", "zzzz", "ccc" und andere schnallende, hohe Töne wieder hörbar zu machen. Aber ehrlich jetzt - zwischen hören und verstehen liegen Welten.

Das Problem in der Uni, zunehmende 'witzige' Situationen im Freundeskreis und eine wachsende Wut mit der Welt um mich herum haben mich im Januar dann zum Akustiker laufen lassen, weil es so ja nicht mehr weiter geht.
Ich habe Cross-Hörgeräte ausprobiert (das sind abgefahrende Teile! Da hat man auf dem 'tauben' Ohr keinen Lautsprecher, der alles in das taube Ohr reinbrüllt, sondern nur ein Mikrofon und einen Sender und das 'hörende' Ohr hört dann für links und rechts gleichzeitig), aber ich komme damit einfach nicht zurecht. Damit ist kein Richtungshören möglich. Stellt euch vor, jemand spricht euch von links an und ihr dreht euch zum Antworten nach rechts.
Ich hab billig Hörgeräte ausprobiert, ich habe richtig krass teure Geräte ausprobiert und dann wieder die Cross-Geräte.
Und dann kam es, aus dem Mund meiner Akustikerin: "Vielleicht wäre es ein Cochlear-Implantat?"

Zwischen wissen, dass man schlecht hört und ahnen und die Gewissheit haben ist auch irgendwie noch mal ein Unterschied. Ein Cochlear-Implantat ist etwas, was operativ eingesetzt wird. Eben ein Implantat.
Das ist eine Art Magnet mit einem langen Kabel, welches dann in die winzige Cochlear geschoben wird. An diesem Kabel sind kleine Elektroden, welche dann die Aufgabe der Härchen übernehmen die Impulse an den Hörnerv zu liefern. Das ganze Funktioniert dann zwar nicht mehr mit der eigenen Ohrmuschel und dem Trommelfell, aber mit einem Soundprozessor, der eben den Ton einfängt, durch einen eigenen "Magneten" das Implantat mit Strom und Toninformationen füttert, und das geht dann in die Cochlear.



Ich habe viele Freunde und Bekannte mit so einem "CI" und die haben das Glück mit dem Ding besser zu hören als ich. Natürlich habe ich mich einigermaßen gebangfreut, als ich das erste Mal davon gehört habe, dass man die Dinger auch bei hochgradigen Schwerhörigen implantiert und nicht nur bei völlig gehörlosen Menschen. Aber ich hatte es sehr weit weggeschoben, weil 'ich hab ja keine Zeit'.
Nachdem meine Akustikerin das nun ausgesprochen hatte, was mein Arzt schon mal angedeutet hatte, meine Freunde mit nahe gelegt hatten, naja, da weiß man irgendwie einfach, dass 'Zeit' nicht das Problem sein sollte.
Meine Mama, die eben eine wirklich tolle Frau ist, hat mir dann gesagt, dass es egal ist, wann man es macht - weil es immer irgendwie 'dazwischen' ist und immer Zeit kosten wird.

Und damit ist auch das Thema des Blogs endlich erreicht! Ich möchte euch hier mitteilen, wie ich lerne, stereo zu hören.
Ich war gestern im Deutschen Hörzentrum (DHZ) in Hannover, welches festgestellt hat, dass ich für ein CI in Frage komme. Natürlich gibt es die letzte Bestätigung erst per Brief, aber man konnte mir da schon sagen und ja, auch  'quasi' versichern, dass es nicht das Problem sein wird, dass ich ein Implantat bekomme, sondern, dass es schwer werden würde, welches, weil ja die tiefen Töne und es muss ja so weit in die Cochlear rein.
Meine Mama sagte dazu dann auch wieder etwas sehr tolles: Aber das ist ein Problem, welches ein Team aus Ärzten für dich lösen wird.
Weil es ist nunmal so, es gibt nur den spannenden Weg.
Ein Implantat kann man nicht Probetragen.

Und damit verspreche ich, dass ich hier ein Werdegang-Tagebuch halte und werde mich gleich an den nächsten Post setzen, um zu beschreiben, wie es denn in Hannover gewesen ist :)

Eure Katharina

2 Kommentare:

  1. Super geschrieben hast du das, liebe Katharina. Ich hab 3 Jahre mit HG's rumgemecht bis mir endlich einer sagte dass 0,2 promille der Menschen TT-SH haben deshalb wird da nicht geforscht. Lohnt sich nicht. jetzt bin ich mal gespannt, wie es bei dir weitergeht...!!!
    LG aus Zürich
    Ursula

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  2. Hallo Suzanne und Katharina, gehöre auch zu den 0,2 promille und hab ähliches erlebt. Gibt es eine Internet Gruppe für dies tt-sh, Informtionen etc. Beste Grüße aus Frankfurt !

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