Dienstag, 4. Juni 2013

Die Welt ist in Scherben - aber dann kam jemand mit Sekundenkleber

Ich habe endlich, endlich Nachricht aus Hannover bekommen!!
Es hat quasi genau zwei Wochen gedauert quasi - wenn da jetzt nicht am Donnerstag noch ein Feiertag zwischen gewesen wäre. Das muss man sich mal überlegen - ich war erst vor jetzt knapp drei Wochen in Hannover aber irgendwie kommt es einen so vor, als wäre es vor langer, langer Zeit gewesen und das in einer weit, weit entfernten Galaxie.
Immerhin fährt man von mir bis nach Hannover in etwa drei Stunden. Das ist eben doch noch ein kleines Eckchen. 

Am Freitag kam er also an, der Brief, der mich ersteinmal laut hat auflachen lassen und mir dann heulend einen Nachgeschmack auf die Zeit gegeben hat, bevor ich in Hannover war und bevor ich diesen Blog angefangen habe und bevor ich mir alles einmal von meiner Seele geschrieben hatte. 
Ich sag es euch - man neigt irgendwie zu Rückfällen, vor Allem dann, wenn man glaubt, dass alles wieder gut ist.
Um es noch mal gerade zu rücken: nicht der Brief hat geheult, sondern ich.
Und warum? Ihr werdet lachen, den Kopf schütteln, die kleinen Violinen rausholen, mich vielleicht auch auslachen wollen, oder genervt seufzen. Im Grunde hat Hannover etwas kleines vergessen.
Aber bevor wir jetzt weiter mit den emotionalen Verwirrungen meinerseits herumhantieren, kommt hier ersteinmal der Inhalt meiner Rückmeldung aus Hannover:


Nunja - das Ganze soll dann auch ersteinmal für den Arzt bestimmt sein - es ist an mich adressiert, aber ich bin lediglich Patient und man spricht die "Sehr geehrten Damen und Herren" an - also lest, lest! Damit seit ja wohl ihr gemeint und garantieeert nicht ich ;)


Meine Diagnose auf diesem wunderwuscheligen Zettelchen ist also:
"Hochgeradige Schwerhörigkeit links und Tieftonschwerhörigkeit rechts"
Das ist zunächst nichts Neues - aber hallo, es bestätigt das doch einfach, was man schon... weiß? Jetzt kommt aber der interessante Teil:
"Therapieempfehlung: 1.) HG-Ausprobe und Optimierung, 2.) MRT-Felsenbein (Ausschluss u.a. Vestibularisschwannom), 3.) Cochlea-Implantat links"
Da hab ich es schriftlich von der Medizinischen Hochschule Hannover. Schwarz auf Grauweißen Papier. In Times New Roman geschrieben. Schriftgröße zwölf, das Wort "Therapieempfehlung" in fett, alles hübsch eingerückt, damit man es sehen kann.
Von oberster Stelle für diese Hörsachen. Cochlea-Implantat links.
 Feuchte Augen gab es da nur, weil ich ja eben gewusst und geahnt habe, dass da in der Stille auf meiner linken Gesichtshälfte irgendwann mal ein paar Töne erblühen werden, die mir das Leben ersteinmal nötigst schwer machen werden.
Okay, dass die jetzt was von Hörgeräten faseln und MRT - zu diesem Zeitpunkt war ich einfach nur überwältigt. Vielleicht hatte ich beschrieben, was man mir in Hannover gesagt hatte, was ich bekommen sollte? 
Na, wenn nicht - tue ich es jetzt, eigentlich sollten mir Unterlagen für die Krankenkasse zugeschickt werden, damit diese Hannovers 'Entscheidungsempfehlung' ernst nehmen und die Bestätigung geben, dass sie es mir ermöglichen wollen, wieder besser zu hören. 
Ich drehte und wendete das Schreiben, ohne es ganz durchzulesen und suchte.
Und suchte.
Und suchte.
Wirklich vergeblich. 
"Wir empfehlen nach Würdigung aller Befunde zunächst die Fortführung der Hörgeräteausprobe sowie die Durchführung eines MRT des Felsenbeins [...]. Wir empfehlen im Anschluss daran eine erneute Vorstellung zur Kontrolle. Sollte diese Versorung ihne Benefit sein, empfehlen wir die Versorgung mittels Cochlea-Implantat. Hierzu haben wir den Patienten auch sehr ausfürhlich beraten"
 Ähm...
Noch mal zurückspulen, was man mir in Hannover sagte: "Das Ganze bekommen wir bis Oktober über die Bühne. In zwei Wochen bekommen Sie die Unterlagen für die Krankenkasse"
In diesem Augenblick sah das für mich wie ein Ja-aber-Nein aus.
Wie hinterhältig wäre das denn?! 

Im Brief steht auch noch hübsch drin, dass ich links 0% aus dem Sprachtest mitgenommen habe, rechts immerhin elegante 80 (man sagte mir in Hannover schon, dass ich sehr gut im Raten bin. Wer meinen Vorpost und auch die Kommentare dazu gelesen hat... jaja, es geht nicht immer. Rumtopf und Rumkopf. So ähnlich und doch so verschieden...). Links Hochgeradig und rechts mittelgeradig im Tieftonbereich yaddayaddayadda.

Klirr.

Ehrlich, Hörgeräte testen?! Ich teste jetzt schon seit Januar verschiedene Systeme durch - und sie haben immer mal wieder ihre schönen Momente gehabt um dann in den Situationen, wo ich sie echt brauche einfach nur zu versagen. Meine erste Akustikerin hat sogar aufgehört zu arbeiten! 
(Nein ;) nicht wegen mir - glaub ich -  aber sie hat mittendrin entschieden, aufzuhören) Meine zweite Akustikerin dieses Jahr hat dann mit mir so, so, so viel ausprobiert. Kassengeräte, wie ich wollte, Nichtkassengeräte wie meine Ohren brauchten. Bi-Crossgeräte, die meinem Rechten Ohr die Möglichkeit gaben die linke Welt zusätzlich auch noch zu hören (was ein Chaos, ich sag es euch. In den paar Stillen Momenten mit ihnen war es zwar super schön zu hören, wenn links jemand mit mir geredet hat - aber sobald die Situation auch nur ein bisschen komplizierter wurde... bäm - nichts). Am Ende hatte ich dann auch Hörgeräte, die mich dann 5000 Euro gekostet hätten. 
Und meine Freifeldverständnis im Lärm ist wirklich nicht gut. 
Wirklich nicht.
Egal mit welchen Geräten.

Ich hab jetzt meine dritte Akustikerin (keine Sorge, die gehören alle zu dem gleichen Akustikergeschäft ;)), und diese habe ich, weil sie die CI-Spezialistin ist. Sie weiß also, worauf ich jetzt demnächst acht geben muss.
 
Während meine Welt also noch um mich herum in Scherben lag und mein mir Freund Taschentücher reichte und versuchte mit Erklärungen die Verwirrung zu klären, saß ich auf meinen Bett und dachte an nichts, außer, dass ich verwirrt bin. 
Und meine Verwirrung hat meinen Freund dann dazu getrieben für mich zu telefonieren.
Ersteinmal versuchten wir zu lösen, was wir leicht lösen können. Ha! Da ich vor 11 Jahren einen Hörsturz hatte, war ich ja auch schon mal in einem MRT-Röhren-Ding. Für den eiligen Leser, der noch nie etwas davon gehört hat: es handelt sich um eine Methode um quasi in den Kopf eines Menschens hineinzuschauen. Damit kann man herausfinden, ob das Gehirn irgendwelche Auffälligkeiten aufweist und ob zum Beispiel Tumore bestehen. Oder ob das Cochlea-Schneckchen überhaupt an Ort und Stelle ist. Und ob das Ohr auch von Innen aussieht wie ein Ohr.

Da ich vor 11 Jahren also schon mal drin war, hatte ich auch schnell eine Idee, wo wir das machen lassen können - und dort riefen wir dann auch schnell an, nur, um dann mit bitteren Magen dazusitzen. Der Termin sollte ernsthaft am 01.07. sein. Der Lichtblick war, dass wir in der Praxis auf die Notfallliste kamen, so, dass wir angerufen werden sollten, wenn sich da etwas im Terminplan der Praxis freitat.
Dann haben wir noch hier und da in verschiedenen radiologischen Praxen und in der Uniklinik angerufen, da wurde was von Stationären Aufenthalt gesprochen.
Dann spricht man mit jemand anderen und der redet darüber, dass ein MRT wichtig ist, weil solche Tieftonschwerhörigkeiten ja häufig von Tumoren kommen.
Ehrlich gesagt wurde ich immer nur verwirrter und wütender und trauriger.

Meine Rechnung im Kopf sah so aus:
Eigentlich sollte ich jetzt der Krankenkasse die Unterlagen zukommen lassen. Dann hätte ich dann zwei bis vier Wochen auf deren Reaktion gewartet und als nächstes hätte ich von Hannover meinen OP-Termin bekommen.
Sagen wir realistisch war es, dass ich Antwort von Hannover auf 01.07-14.07. bekommen hätte, vielleicht ein OP Termin zu Mitte August, dann hätte ich Mitte September meine Aktivierungswoche gehabt und hätte dann zu Mitte Oktober das neue Semester mit neuen Eindrücken mit der Prämisse, dass ich ja noch nicht richtig hören kann, angefangen.

Vielleicht sehr optimistisch, aber die Hoffnung, die stirbt nunmal zuletzt.
Und jetzt saß ich diese Rechung:

Ich sollte also bis zum 01.07. warten, bis ich hier in Münster ein MRT mache, bestenfalls habe ich dann direkt darauf einen Termin in Hannover. Dort beredet man noch mal mit mir alles und im BESTENFALL bekomme ich da schon alle Unterlagen für die Krankenkasse mit. 
Aber nein, so optimistisch sind wir nicht, wenn wir im Pessimismus ertrinken.
Also fahren wir leeren Handes aus Hannover wieder weg, es ist ja der 02.07.
Zwei Wochen später kommen denn die Klamottis für die Krankenkasse - also am 14.08. und das geht an die Krankenkasse... und ja.
Es verschiebt sich um einen Monat.

Klirr.

Ja, ich sehe es ein, dass man nicht knauserig sein sollte mit einem so zeitintensiven Unterfangen - aber um das noch mal klar zu machen: Ich *kann* zur Zeit nicht in die Uni, weil die Uni für mich zur Zeit *nur* aus Diskussionsseminaren bestehen, in denen ich akustisch nicht mitkomme und deren Klausuren darum gehen, was denn für gigantisch tolle Ergebnisse bei den Diskussionen rausgekommen sind.
Da hilft das beste Protokoll nicht, der beste Mitschreiber nicht. 
Zwei Geisteswissenschaften zu studieren zu wollen fühlt sich für mich zur Zeit wie einer der größten Fehler an, die ich bis jetzt gemacht habe. Wirklich - ich hätte doch wissen müssen, dass garantiert nichts so ist wie in der Schule und dass der Frontal-Teil irgendwann vorbei ist. 
("Mimimimi") Mecker, Mecker, Mecker. Seufzen, Panik, Schreien, Im Kreisdrehen, sich fragen, ob man einfach nur zu dumm ist.

Naja, um den Protagonisten aus "Avatar" zu zitieren, der deswegen gemobbt wird, dass er einen Rollstuhl braucht und ihn alle für dumm halten: "Ich bin es satt mir immer sagen zu lassen, was ich alles nicht kann"
Das sage ich mir immer wieder selbst, aber das weitere Ausprobieren von Hörgeräten hat mich da ziemlich traurig werden lassen, weil sie bei allen um mich herum irgendwie zu funktionieren scheinen - aber ich höre immer noch nur Bahnhof.

Wo war ich denn nun?
Ach so!
Beim Weinen und Selbstmitleid - wenn das eine olympische Disziplin wäre, dann hätte ich darin sicherlich gold, aber zumindest silber ;)
Licht ins Dunkle brachte dann doch ehrlich meine liebe Akustikerin, die am Telefon ganz verdutzt fragte: "Was? Die haben in Hannover kein MRT gemacht?! Das *müssen* die *vergessen* haben!"

Irgendwie... fand ich das dann plötzlich witzig.
"Nein - das MRT gehört da schon zu; das machen die auch normalerweise. Vielleicht haben sie das nicht gemacht, weil der Oberarzt nichts sagen konnte und man Sie dann ohne Gespräch mit Oberarzt nach Hause geschickt hat. Normalerweise machen die das da immer. Und mit der Hörgeräteanpassung... naja, wir machen noch mal ein paar Test, wahrscheinlich ist auch hier das rechte Ohr gemeint..."

Es geht einen nach solchen Informationen schon deutlich besser. Wirklich. Man kommt sich regelrecht blöd vor - und dann kann man eine Runde ausnahmsweise mal auf andere wütend sein. Weil hey! Mit dem Verzug hab ich jetzt so gar nichts zu tun, oder?
Es geht hier nicht um eine Hausarbeit, die ich zu spät eingereicht hab.

Während sich die Lage am Wochenende noch weiter entspannte, wurde ich dann von etwas ganz witzigen Geweckt.
Von meinem Freund, der sagte, dass wir uns beeilen müssen, die Praxis hat für das MRT angerufen.
Nein - wir warten nicht bis zum Ende des Monats! Das MRT gibt es quasi sofort!
Wenn das mal nicht ne dicke Tube Sekundenkleber ist, weiß ich auch nicht ;)

Naja, es verzieht sich trotzdem - aber vielleicht nicht so schlimm, ich angenommen habe.
In Hannover habe ich jetzt schließlich einen Termin zum 28.06. bekommen - aber ich hab noch diverse andere Termine - zum Beispiel mit meiner Akustikerin für den vielgeschätzten Herr Rechtes-Ohr aber eben auch mit einem neuen HNO-Arzt, den ich erst noch von seinem Glück unterrichten darf.

Wie meine Mama sagte, und ja auch meine liebe Beste:
Tief durchatmen, einen Kaffee trinken und dann noch einmal drüber nachdenken, bevor man sich auf das Bett wirft und man die Welt anschließend mal wieder mit Sekundenkleber behandeln muss.


Mein Tipp für die, die auch noch ein CI wollen:
Wenn ihr in Hannover seid - immer hübsch nach dem MRT des Felsenbeins fragen! 
Na, wenn ich das gewusst hätte :D

4 Kommentare:

  1. Liebe Katha :D

    Ich verfolge deinen Blog nun immer mit *_* - Augen, warum? Weil ich auch dabei bin, die ersten Schritte für ein CI zu gehen, allerdings für Bochum, da mit Hannover doch etwas zu weit ist ;)
    Schreibe bitte weiter mit Humor, Ironie und einen leichten Sarkasmus 8D
    Ich bin sicher, hierher werden sich noch viele Leute verirren, Eltern, Jugendliche oder auch Neugierige.

    Liebe Grüße Marina

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    1. Hallo Marina!
      Danke für dein tolles Lob Und klar werde ich weiter schreiben, weil ich eben möchte, dass Andere lesen können, was auf sie zukommt - mir selbst hat das nämlich teilweise wirklich gefehlt. Und was fehlt, und nun selbst erlebt muss man eben selbst aufschreiben.

      Ich bin wirklich mal gespannt, wie es dann in Bochum sein sollte! Und lass dich von einem "Nein" von dort nicht unterkriegen - du kannst dann immer noch nach Hannover, weil es doch immer heißt, dass Hannover für die Krankenkasse und Ärzte maßgebend sei

      Ich freu mich schon auf den Austausch!

      Ganz liebe Grüße,
      Katharina

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  2. Hallo Katha, lass dich nicht entmutigen. MRT muss, schon alleine weil die Ärzte vor der OP ganz genau nachsehen müssen, ob z.B. das Innenohr verknöchert ist. Der Termin ist erst am 1.7.? Fein, das ist kein Monat mehr. In der Zeit probierst du dann nochmal 1-2 Hörgeräte aus und lässt dir von deinem Akustiker bescheinigen, wieviele erfolglose Versorgungsversuche du hinter dir hast, damit die Krankenkasse am Ende nicht meckert. Am besten, du bringst sowas am 1.7. in die MHH mit und sagst denen, die sollen das mit den Hörgeräten gar nicht mehr reinschreiben, sonst wird die Kasse versuchen, dich hinzuhalten, wenn du Pech hast. Aber wie eingangs gesagt: Von den ersten Untersuchungen bis zur OP dauert es immer Monate. Bei mir ging es nur so schnell, weil ein OP-Termin frei wurde und man mir den gab. Es wird! Alles Gute, E.

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    1. Hallo Enno!
      Danke für deine aufmunternden Worte :) Das MRT wurde jetzt schon gemacht, weil in einer Praxis ein Termin frei geworden ist - da hat man mir auch schon gesagt, dass mein Innenohr und meine Cochlea sehr normal aussehen und ich auch keinerlei tumorbedingten Hörausfall habe.

      Ich teste jetzt auch noch ein paar Geräte - sogar welche, die die die Kasse übernehmen würde und ich habe regelrecht das Gefühl, dass ich ohne die Geräte beinahe besser hören kann ;) links bringt ja selbst die teuerste HdO-Technik nichts.

      Meine Akustikerin hat den Verdacht, dass sie das mit den Hörgeräte noch einmal hingeschrieben haben, damit es nicht so blöd aussieht, wenn da steht, dass ich nur ein MRT machen soll. Sie wird für den Termin in Hannover dann aber auch noch mal ein ordentlichen Bericht verfassen.

      Es ist ein eigenartiges Gefühl, sich selbst die Geduld wieder beizubringen, weil das Leben nunmal so gar nicht mit Geduld funktioniert.

      Mit der Vorstellung nächstes Jahr über dieses Jahr zu lächeln, halte ich die Ohren steif ;)

      Ganz liebe Grüße,
      Katharina

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